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Übersicht > Medien > Bücher > Autoren > Lessing, Gotthold Ephraim - Emilia Galotti
Vorteile: Der Sturm kam zu spät...
| Nachteile: ...aber die Rose is' putt...
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...so why don't you kill me |
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Produktbewertung:
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ausreichend
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Wohl niemand kann sich wohl so hundertprozentig davon freisprechen, Vorurteile gegen bestimmte Personengruppen zu haben. Beamte, Ossis oder die Abzocker-Vorstände von Infineon; wir haben alle unsere persönlichen Lieblinge, die wir nicht kennen, aber dank einer Eigenschaft oder eines Status’ perfekt charakterisieren können.
Meine Aversion richtet sich aus einem mir nicht näher erklärbaren Grund gegen Menschen, die das Wort „Gott“ im Namen tragen. Nun, bei genauerer Überlegung ist es eigentlich doch recht nachvollziehbar.
Karel Gott – gibt es noch einen Menschen, der in der Lage ist, den musikliebenden Menschen dermaßen zu quälen? Und ich kann mir ein gutes Urteil bilden, wahrscheinlich eher als der geneigte Leser, denn durch eine Schulveranstaltung, für deren Ablauf es unabdingbar war, eine Aufnahme von Biene Maja zu besitzen, war ich gezwungen, ein Geschäft zu betreten, um die CD „Karel Gott – die größten Erfolge“ zu kaufen. Ich erspare mir jetzt nähere Erläuterungen, wie es dazu kam, dass einer meiner Freunde als fette Biene Maja verkleidet über die Bühne unserer Aula hüpfte, während ich versuchte eine Gott-Imitation zu geben...
Wer jedenfalls glaubt, dass es sich beim Album „Karel Gott – die größten Erfolge“ um eine Single handelte, irrt gewaltig. 16 Tracks umfasste dieses Album meiner Erinnerung nach; und Biene Maja ist definitiv der Reißer gewesen. Na ja, immerhin hatte das Album den Preis einer Single; insofern war mein Weltbild wieder einigermaßen geradegerückt...
Gottfried Benn – gibt es noch einen Menschen, der in der Lage ist, den Deutsch Leistungskursschüler dermaßen zu quälen? Gut, heute würde ich das vielleicht anders sehen (obwohl, nach der Lektüre von yorgs Bericht zum Thema war er mir leider immer noch nicht sympathischer), aber in meiner Abizeit hasste ich diesen Dichter, war er doch der Grund für einige schlaflose Nächte, die ich mit der Analyse einer Blume im Bauchraum einer Leiche verbrachte; die geringe Punktzahl am Ende meiner Klausur verdeutlichte mir dann auch nur allzu gut, dass ich beruhigt hätte schlafen können. Es hätte wohl keinen großen Unterschied gemacht...
Gotthold Ephraim Lessing – gibt es noch einen Menschen, der in der Lage ist, den Mittelstufenschüler dermaßen zu quälen? Ich erinnere mich noch an all die fassungslosen Gesichter, als wir im Unterricht dieses Werk zu Ende lasen und Frau P. sagte: „dies ist das zentrale Werk der Aufklärung“. Gut, heute weiß ich, was sie meinte; Emilia Galotti ist mir deshalb trotzdem nicht so recht liebgeworden.
Zum Stück. Irgendwo in Italien, Mitte des 18. Jahrhunderts. Der Prinz ist ein Monarch, wie er in Zeiten des Absolutismus (also zu der Zeit, in der kein Leben so richtig Spaß gemacht hat; abgesehen vom Leben eines Adligen) sein muss: faul, dekadent, gierig, tyrannisch und ein bisschen durchtrieben. Um ihn nicht zu sehr ins negative Licht zu rücken, hat uns Gotthold ihm dann aber doch noch eine positive Emotion auf die Brust geschrieben: er ist verknallt. Oder geil? Nun, darüber kann man sich wohl streiten. Eigentlich könnte man sich sogar darüber streiten, ob zur damaligen Zeit hier überhaupt ein Unterschied bestand; aber das würde wohl zu weit führen.
Der Prinz ist also verschossen, in die titelgebende Heldin. Tja, dumm nur, dass es so ist, wie im richtigen Leben auch immer. Die gute Emilia ist schon vergeben; d.h. damals war man ja nicht vergeben, sondern versprochen. In der Regel waren die Frauen ja meist nicht so angetan von dem, was ihre Väter ihnen so als Göttergatten andrehten, aber beim ollen Gotthold ist das anders. Emilia findet Appiani, den glücklichen Bräutigam, eigentlich ganz annehmbar.
Aber perfekt ist Appiani auch nicht, er hat einen entscheidenden Makel: er war nur ein kleiner, popliger Graf. Das entspricht im heutigen Sprachgebrauch ungefähr dem durchschnittlichen Sachbearbeiter. Oder Content Manager, je nachdem, wie zeitgemäß man sich ausdrücken mag. Aber der Prinz, tja, der ist halt Prinz, also Geschäftsführer. Also, zweiter Geschäftsführer oder auch Assistant Managing Director. Sprich: er hat einfach mehr Macht.
Was tut man also, wenn ein anderer genau die Frau hat, die man selbst haben will? Genau, man versucht, ihn loszuwerden. Nun hätte es ja durchaus in die Zeit gepasst, Appiani einfach um die Ecke zu bringen. Aber der Prinz wäre ja kein Prinz, wenn er nicht zuerst versuchen würde, sich schicklicherer, aber nicht minder fieser Mittel zu bedienen. Also schickt er seinen Content Manager unter fadenscheinigem Vorwand in die entlegenste Zweigstelle, die der Laden hat. Aus den Augen, aus dem Sinn, wird er gehofft haben, und wenn er den Typen endlich los ist, kann er sich in aller Ruhe an Emilia ranschmeißen.
Doch der Prinz hat die Kalkulation ohne den Sachbearbeiter gemacht. Der weigert sich nämlich schlichtweg; bevor er Emilia nicht geheiratet geht er nirgendwo hin, gibt er dem Geschäftsführungsassistenten (Altdeutsch: Kammerherr) Marinelli zu verstehen.
Marinelli ist eigentlich der richtige Bösewicht. Er wäre wohl der viel bessere und skrupellosere Geschäftsführer gewesen, aber wir befinden uns halt in einem Familienbetrieb. Während der Prinz eigentlich nur egoistische Züge zeigt, heckt Marinelli die richtig fiesen Sachen aus, um seinem Geschäftsführer alles so angenehm wie möglich zu machen.
Marinelli hat einen genialen Coup geplant, der für ziemlich gute PR sorgen dürfte; nicht zuletzt bei Emilia. Er plant, die Hochzeitskutsche (das Auto mit den Dosen hintendran) von ein paar zuvor angeheuerten Straßenräubern überfallen zu lassen und Emilia dann durch den gaaaaaanz zufällig auftauchenden Prinzen retten zu lassen. Der Plan funktioniert ziemlich perfekt, der Sachbearbeiter Appiani, der noch so langen Kündigungsschutz genossen hätte, konnte leider nicht mehr gerettet werden; es gab im 18. Jahrhundert leider noch keine Betriebsräte.
Der Prinz ist jetzt glücklich; die Halbwitwe Emilia sitzt in seinem Schloss, Appiani ist passé und er kann sich jetzt liebevoll um sie kümmern.
Doch wo Licht ist, muss auch Schatten sein; mein Freund Gotthold muss wohl irgendwann mal schlechte Erfahrungen mit einer Ex gemacht haben. Hier jedenfalls lässt er die Verflossene des Prinzen auftauchen. Die ist gar nicht so doof, wie die Frauen der damaligen Zeit immer charakterisiert werden, und so durchschaut sie diesen fiesen Plan sofort. Praktisch, dass Odoardo, Emilias Vater, zufällig gerade mal nach seiner Tochter gucken wollte, als sie aufkreuzt. So erzählt sie ihm brühwarm, wie sie die ganze Sache sieht, und drückt ihm zur Krönung auch noch einen Dolch in die Hand, um mal einen Wechsel in der Geschäftsführung herbeizuführen.
Odoardo eilt also zu seiner armen, gequälten Tochter, die ist ganz schön durch den Wind, will den fiesen Prinzen keinesfalls heiraten und schlägt stattdessen vor, ihrem potentiellen Gemahlen doch einfach in die vorzeitige Rente zu folgen. Ihr Vater findet die Idee am Anfang nicht so gut, doch Emilia ist sich jetzt ziemlich sicher, nicht mehr leben zu wollen und provoziert ihren Vater, in dem sie ihm sagt, dass er nicht Manns genug ist, ihr dabei zu helfen. Daraufhin brüllt er „Doch meine Tochter, doch!“ und dann folgt die Regieanweisung „indem er sie durchsticht“. Wie es der Zufall so will tauchen genau in diesem Moment Prinz und Kammerherr auf, die Tochter will ihren Vater noch schützen und faselt während ihres langsamen Dahinscheidens noch etwas von Selbstmord. Aber der Vater, nebenbei bemerkt ein Militär, ist jetzt voll in seinem Element und furchtbar stolz darauf, seine Tochter vor ihrem grausamen Schicksal als Braut des Prinzen bewahrt zu haben. Dass er sie dazu immerhin abstechen musste, scheint ihn nicht sonderlich zu irritieren oder gar zu stören...
Wie eingangs bereits erwähnt, ist diese Trauerspiel in 5 Akten das zentrale Werk der Aufklärung. Der Epoche, in der sich das Bürgertum vom Joch des Adels befreit hat. Letzterer war wohl ziemlich empört über das Stück; wohlbemerkt erst, nachdem ein schlauer Gelehrter den Damen und vor allem den Herren das Stück erklärt hatte; bei der Premiere amüsierten sie sich wohl noch prächtig.
Wir konnten damals nicht so recht folgen; unter der Emanzipation des Bürgertums hätten wir verstanden, dass Emilia nach Hause geht und der Prinz in den Bau wandert. Aber das war wohl zu revolutionär. So mussten wir schlucken, dass sich die Auswirkungen der Emanzipation in diesem Falle (und in vielen anderen wohl auch) wohl sehr, sehr langsam zeigten...
Oder, wie Emilia sagte: „Eine Rose gebrochen, ehe der Sturm sie entblättert“.
Geschrieben am: 18. Feb 2002, 09:39 von: teajay
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