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Der alte Mann und der Orient |
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k/a
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Ich denke beinahe jeder Mensch hat so seine persönlichen drei Musik-Acts, bei denen er ständig auf News wartet, wann denn die nächste CD kommt, ob es bei ebay nicht doch noch eine selbstgebrannte CD mit Hidden-B-Sides gibt oder ob die Maxi einen Special-Remix enthält, den man auf dem normalen Longplayer nicht hat.
Bei Mona beispielsweise sind das Depeche Mode und George Michael (bei letzterem bitte ich von Fragen nach dem warum abzusehen, ich kann es mir nämlich auch nicht erklären), bei meiner Sonne sind das Tori Amos, Tori Amos und Tori Amos und bei mir sind es Seal, U2 und Sting.
Nun ist Sting ja ein alter Mann geworden, statt wilden Stage-Fotos gibt es im Booklet jetzt Yoga-Aufnahmen, na ja. Seiner musikalischen Entwicklung hat das jedenfalls keinen Abbruch getan, denn „Brand New Day“ ist eines der besten Alben von Gordon Summer.
Wer das Album nicht besitzt wird eigentlich nur „Desert Rose“ kennen, einen Song, der vor Kraft nur so strotzt. Das dieser der zweite der CD ist, ist mehr als unfair, denn so ist der Hörer beinahe geneigt, Track 1, „a thousand years“, zu überspringen. Und das wäre mehr als schade.
Die ersten 15 Sekunden der CD verstreichen eigentlich ohne nennenswerten Ton. Dann steigen Percussion und orientalische Klänge zu einer melancholischen, schleppenden, ja fast wehleidigen Melodie ein. Hierzu gesellt sich Sting nach über einer Minute, und auch seine Stimme kann eigentlich keine positivere Stimmung vermitteln. Kraftloser, monotoner Gesang und immer wieder die selben Muster in den Textzeilen. „I could shed another million tears, a million breaths, a million names but only one truth to face.“ Und was ist seine Wahrheit? “I still love you, I still want you”. Das ist hart. Der Song ist absolut perspektivlos und schließt mit „on and on the mysteries unwind themselves, eternities still unsaid, until you love me“. Sechs Minuten pures Leiden. Ich liebe diesen Song.
Apropos Lieben, da kommen wir gleich zu meiner Sonne und Desert Rose. Sie liebt diesen Song abgöttisch, verbindet sie doch viele positive Erinnerungen mit ihm. Dies dürfte auch das einzige Werk sein, das den meisten Autoren hier bekannt ist. Der Song beginnt ähnlich orientalisch, bleibt aber über seine gesamte Länge in dieser Stimmung, was nicht zuletzt an der ausgezeichneten Stimme von Cheb Mami liegen dürfte. Die computergenerierte Basis stört hier gar nicht, denn es setzt alsbald ein unglaublich mitreißendes Ensemble aus Drums, Percussion und Baß ein. Der Song vermittelt unglaublich große Aufbruchsstimmung, wenn mir mal der Antrieb fehlt. Sting bezieht diesen in seinem Song übrigens aus einer Frau, die ihn offensichtlich ziemlich betört hat (Sweet desert rose, each of her veils, a secret promise, this desert rose, no sweet perfume ever tortured me more than this).
Kennt jemand Herrn Rossi? Und seinen Hund? Das war Mitte der Achtziger so eine Comicserie im ZDF. Die Titelmelodie war so ähnlich wie der Anfang von „Big lie small world“. Eine Acoustic-Gitarre, dezente Percussion und ein Piano. Dazu Sting mit leicht rauchiger Stimme, die eigentlich nach einer Liebeserklärung klingt. Doch der Schein trügt. Sting schreibt seiner Ex nämlich gerade, wie gut es ihm geht, seit sie endlich weg ist. Er schmeißt den Brief ein, doch dann: „halfway home I changed my tune, and when I saw my lonely room, the mirror caught my eye, when I sit down and cry“. Tja, so kann man sich täuschen. Hier setzt dann auch der langgezogene Refrain mit „Big lie, small world“ ein. Es beginnt eine Jagd nach diesem Brief, denn Sting möchte auf keinen Fall, dass sie selbigen bekommt. Es folgt eine Odyssee mit beißenden Hunden, verpassten Bussen und ähnlichem. Am Ende schlägt er den Postboten und ihren neuen Freund (diesen nennt er übrigens Mr. Clean, da ist aber jemand seeeehr verbittert) und wird schließlich von der Polizei aufgegriffen. Traurig schließt er: „it hasn’t been the best of days, I’d like to fly away”.
“After the rain is fallen” ist musikalisch eigentlich eher Pop-Durchschnitt, wenn auch mitreißend. Textlich aber erneut brillant. Der Orient hat es Sting offensichtlich angetan, und so berichtet er von einem Dieb, nein, nicht nur irgendeinen, sondern „the greatest thief in the Sahara“. Dieser ist offensichtlich in den königlichen Palast vorgedrungen und klaut munter in den Gemächern der Prinzessin, als diese durch einen herabfallenden Ring erwacht. Doch anstatt wie ein normaler Mensch nach dem Wachschutz zu rufen oder die Alarmanlage zu aktivieren, bittet sie ihn: „take me with you, before my lonely life is set, I’ve been promised to another, to a man I’ve never even met“. Das Ende bleibt offen, die Textzeile „you’ll find that I’ve taken nothing, that love can’t replace in the blink of an eye“ lässt hoffen.
In “Perfect love…. Gone wrong” versucht sich Sting mal im Dialog. Er unterhält sich nämlich gerade mit seiner Freundin, die offensichtlich einen Neuen hat. Treffend stellt er fest: „He won’t love you, like I love you“. Der Ärmste. Jedenfalls antworten seine Angebetete per französischem Sprechgesang. Leider ist mein Französisch etwas eingerostet, aber ich verstehe ungefähr soviel, dass sie jetzt auf dem Egotrip ist, und er seine Ansprüche gefälligst hinten anstellen kann. Ich mag den Song, die beiden Parts werden auch musikalisch getrennt, ein schrille Trompete kreischt von Zeit zu Zeit mal rein, einfach nett, ein bisschen chaotisch, aber nett.
„Tomorrow we’ll see“ ist erneut ein wunderschöner Song. Er erzeugt für mich so eine leichte Krimistimmung. Wie den Anfang dieses Liedes stelle ich mir die perfekte Mike-Hammer-Titelmelodie vor. Eine Oboe (?) ein Baß, ein dezentes Schlagzeug, gemeinsam erzeugen sie eine irgendwie konspirative Stimmung. Sting erzählt die Geschichte einer Prostituierten, und dies nicht unbedingt in der gewohnten Mitleidsstimmung, denn sie scheint ihren Job nicht aus der Not gewählt zu haben (You ask what future do I see, I say it’s really up to me, I don’t need forgiving, I’m just making a living). Sting schließt mit Ihrer Bitte „Don’t judge me, one more night I’ll just have to take my chances“ und einem langgezogenen „Tomorrow we’ll see“. Schön.
Es folgt, was scheinbar auf jeder Sting-CD obligatorisch folgen muß – ein Country-Song. In einem Interview hat man Mr. Summer mal darauf angesprochen, und dieser schwor Stein und Bein, er liiiieeeebe Country. Ich nehme ihm das ja immer noch nicht ab, auch wenn seine letzten drei Alben jeweils einen Country-Song enthielten. Auf dieser CD ist das „Fill her up“. Nein, es geht nicht darum, eine Frau abzufüllen. Vielmehr ist mit „her“ in diesem Song ein Truck gemeint. Zu allem Überfluß muß Sting dann auch noch gegen Ende ein paar Gospel-Elemente einbauen. Der Song ist wirklich schräg und endet mit einer Tirade von „you’re gonna fill her up with...“ und dann wahlweise sadness, shame, madness, blame usw., usw. Wirklich schrecklich.
Die CD endet, wie sie angefangen hat: mit zwei wunderschönen Songs.
Einer davon ist „Ghost Sory“, das mit einer ganz dezenten, leisen Acoustic-Gitarre eröffnet wird. Eigentlich verändert sich diese Grundstimmung während des ganzen Liedes nicht, später gesellt sich ein Schlagzeug in einer nahezu dramatischen Steigerung mit einer weiteren Gitarre dazu. Diesmal merkt Sting erst sehr, sehr spät, dass seine Verflossene ihm offensichtlich mehr am Herzen gelegen hat, als er glaubte. Am Anfang heißt es noch „I did not miss you much“. Doch langsam muß er feststellen, dass das wohl nicht an ihr sondern an ihm lag (afraid to love, afraid to fail, a mast without a sail) und resignierend abzuschließen mit „you were my compass star, you were my measure, you were a pirate’s map of buried treasure“. Ich liebe seine Metaphern. Ich kenne niemanden, der es so gut versteht, schöne Lyrics mit passender Musik zu verbinden.
Die CD schließt mit dem titelgebenden Track „Brand New Day“, und sollte ich jemals eine Stereoanlage mit CD-Weckfunktion besitzen, so werde ich mich jeden Morgen mit diesem Song wecken lassen, entweder bis an das Ende meiner Tage, oder bis er Pamela zu den Ohren rauskommt. Eine seichte Gitarre zum Augenöffnen, eine fröhliche Mundharmonika zum Wachwerden, ein Schlagzeug für die Energie. Der perfekte Get-up-Song. Und auch textlich passt das perfekt, den Sting belächelt und ermuntert all die, die der Liebe abgeschworen haben.
Und so schließt eine CD, wie sie perfekter nicht enden kann: eine fröhliche Mundharmonika und ein alter Mann, der uns sagt: „We’re starting up a brand new day“...
Geschrieben am: 21. Aug 2001, 09:46 von: TeaJay
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